Erfahrungsbericht einer Brustkrebs-Survivorin
Fast die Hälfte aller Menschen in Deutschland erkrankt im Laufe ihres Lebens an Krebs1. Sport kann auf vielen Ebenen helfen Therapie, Nebenwirkungen und psychische Belastung zu bewältigen. Hier findest du einen Erfahrungsbericht, der dir verrät, was du für dich und deine Liebsten tun kannst.
1 50 von 100 Männern / 44 von 100 Frauen. Quelle: https://www.bayerische-krebsgesellschaft.de/informationen/fakten-ueber-krebs/wie-haeufig-ist-krebs/?L=0
Welches Potential steckt im Sport?
Zunächst einmal sei gesagt, dass es keine Rolle spielt, ob du regelmäßig beim Ausdauertraining an deine Grenzen gehst, dich im Kampfsport auspowerst oder auf der Yogamatte Einkehr findest. In der Bewegung steckt ein riesiges Potential. Der Grund liegt darin, dass der Sport dir auf unterschiedliche Art und Wiese helfen kann eine Krise zu überwinden – und dass eine Krebsdiagnose eine Krise ist, wird wohl niemand bestreiten.
Was passiert eigentlich bei so einer Diagnose?
Natürlich gibt es nicht „den einen“ Weg, denn Krebs ist ebenso vielfältig, wie heimtückisch. Deshalb will ich hier meinen Weg als Brustkrebs-Survivor als Beispiel anführen:
- Selbstdiagnose: Etwas stimmt nicht. Nachdem ich einen Knoten in meiner Brust ertastet habe, vergehen ein paar Tage bis zum ersten Arztbesuch.
- Diagnose: Invasive und nicht-invasive Diagnoseverfahren werden durchgeführt (z.B. Gewebeentnahmen und Ultraschall).
- Therapievorbereitung: Erste OP, um den Port einzusetzen (eine Art dauerhaften Zugang unter der Haut, um Medikamente der Chemotherapie möglichst schonend verabreichen zu können), weitere Untersuchungen um mögliche Metastasen aufzuspüren.
- 9 Monate aktive Therapie: Chemo- und Immuntherapie, Tumor-OP und Entfernung von Lymphknoten, großflächige Bestrahlung mit hochintensiver Röntgenstrahlung. Die Nebenwirkungen allein können ganze Blogartikel füllen, also sagen wir einfach: Es ist kein Spaziergang.
- Rehabilitation: 4 Wochen stationärer Aufenthalt in einer Reha-Klinik. Fokus: wieder fit werden, Nebenwirkungen verringern und psychisch das Geschehene verarbeiten.
Wie du dir vorstellen kannst, hinterlässt das alles Spuren – auf dem Körper und auf der Seele. Natürlich gibt es viele Wege mit dieser Belastung umzugehen. Und professionelle Hilfe gehört unbedingt dazu! Einige Möglichkeiten findest du am Ende des Artikels.
Es ist unbestritten, dass Sport viele wertvolle Vorteile in der Vor- und Nachsorge und während der aktiven Therapie von Krebserkrankungen hat. Während es unerlässlich ist, dass ein Arzt jeder Form von körperlicher Aktivität zustimmt, unterscheiden sich die unterschiedlichen Phasen innerhalb der Erkrankung jedoch gewaltig.
Während der aktiven Therapie
Nicht jede Krebstherapie sieht gleich aus und nicht alle Patienten*innen vertragen sie gleich gut oder schlecht. Einige Gemeinsamkeiten gibt es allerdings in den meisten Fällen.
Mit Bewegung gegen Fatigue. Fatigue ist eine sehr häufige Nebenwirkung von Chemotherapien, manchmal auch Strahlentherapie – Fatigue ist ein Erschöpfungszustand, der weit über normale Müdigkeit hinaus geht. Leider wird dieser Zustand häufig schlimmer, je mehr die betroffene Person sich schont. Hier hilft in vielen Fällen leichtes Ausdauertraining oder auch schon ein langer Spaziergang die Symptome zu lindern. Während Schwimmen durch die erhöhte Keimbelastung in Hallenbädern und Badeseen leider meist keine gute Idee ist, kann auch ein Ausdauertraining zu Hause helfen. Durch die Coronapandemie beflügelt, gibt es ja zahlreiche hochqualitative Videoformate.
Mit Krafttraining und Jumping Fitness gegen Osteoporose. Insbesondere Frauen, die ja ohnehin schon ein höheres Osteoporoserisiko als Männer haben, haben mit abnehmender Knochendichte durch die Chemotherapie zu kämpfen. Ein Weg dem entgegenzuwirken ist wiederholte Zug- und Druckbelastung für die Knochen. Die findet beim Krafttraining mit schweren Gewichten, aber auch beim Jumping Fitness auf dem Minitrampolin automatisch statt! Natürlich wirst du an einige Tagen nicht in der Verfassung dafür sein und das ist okay. Sei gut zu dir, dein Körper leistet gerade unglaubliches im Kampf gegen den Krebs!
Mit Yoga & Meditation zu ein bisschen Seelenfrieden. Ich könnte nicht sagen, was die größere Herausforderung war: die körperlichen Strapazen der Erkrankung, Therapie und Nebenwirkungen, oder die psychische Belastung. In einer Zeit, in der Todes- und Zukunftsangst und Panikattacken nicht selten ungefragt Teil des Alltags werden, ist ein bisschen Ruhe und Frieden im eigenen Kopf gar nicht so selbstverständlich. Gedanken und Gefühle sind manchmal wie ein unkontrollierbarer Sturm, der uns davonzutragen droht. Bekanntermaßen können wir den Sturm nicht kontrollieren, aber wir können lernen unsere Segel zu setzen. Yoga lehrt uns über Atemsteuerung, Körperübungen und Meditation eine Balance und Harmonie in uns und mit unserer Umwelt zu suchen. Und eine Yogastunde kann auch ohne an die spirituellen Wirkungen zu glauben, eine schöne Ablenkung und eine gute Art sein, den Körper einmal durch zu bewegen.
Für alle der genannten Sportarten ist es ein großer Vorteil, wenn man sie schon vor der Erkrankung betrieben hat. Aber es ist nie zu spät, etwas Neues zu lernen. Das tut nicht nur dem Körper gut, sondern beugt auch dem sogenannten „Chemo-Brain“, der Vergesslichkeit als psychisch-neurologischer Nebenwirkung der Chemotherapie, vor.
Nach der Therapie
Ist die Therapie abgeschlossen, egal mit welchem Ergebnis, werden in den meisten Fällen vor allem die Nebenwirkungen nachlassen. Das ist oft eine massive Erleichterung und führt zu großen Ambitionen. Gut so! Aber jetzt ist nicht die Zeit alles auf einmal zu wollen. Egal ob Gewichtszunahme, -abnahme, Muskelaufbau oder Beweglichkeit deine Ziele sind, nimm dir Zeit, sie zu erreichen. Dein Körper und deine Psyche haben eine unfassbare Last getragen und werden das vermutlich noch länger tun, als Erkrankte und deren Umfeld es für möglich halten.
Auch wenn die Haare wieder wachsen und die Ausdauer sich verbessert, haben viele Betroffene noch lange Zeit mit einem veränderten Stoffwechsel, Schmerzen und Narben zu kämpfen. Gleichzeitig verhält das Umfeld sich oft weniger rücksichtsvoll, denn die sichtbaren Folgen der Erkrankung klingen vergleichsweise schnell ab. Hier ist es wichtig, Geduld und Nachsicht haben, egal ob du selbst betroffen bist, oder Freunde und Familie unterstützt.
Auch wenn der Wunsch nach dem alten Leben und Leistungsvermögen verständlicherweise groß ist – hier hat ein neuer Lebensabschnitt mit veränderten Voraussetzungen begonnen. Bleib neugierig und liebevoll mit dir.
Prävention – Warum, wie und wann?
Krebs ist unfair und niemand verdient es, zu erkranken. Egal, welchen Lebensstil jemand vor der Diagnose gepflegt hat, die Gründe einer Krebserkrankung sind zu komplex, um sie auf eine Angewohnheit zu reduzieren. Schuldzuweisungen sind also immer völlig unangebracht!
Nichtsdestotrotz gibt es Faktoren, die aktiv zu einem gesunden Lebensstil und damit statistisch zu einem geringeren Risiko (erneut) zu erkranken beitragen. Einer der wichtigsten? Sport! Warum das so ist, ist nicht abschließend geklärt. Die ausgleichende Wirkung von Sport auf den Blutzuckerspiegel, Hormonhaushalt und chronische Entzündungsprozesse spielen aber vermutlich eine große Rolle. Mehr dazu findest du z.B. beim Krebsinformationsdienst der Helmholtz-Gemeinschaft https://www.krebsinformationsdienst.de/vorbeugung/krebs-vorbeugen/sport.php oder der Deutschen Krebsgeschellschaft https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/basis-informationen-krebs-allgemeine-informationen/sport-bei-krebs-so-wichtig-wie-.html
Abschließend sei noch einmal gesagt, dass Sport unzählige Vorteile zum Schutz vor und bei der Therapie von Krebs hat. Zur Prävention gehören aber unbedingt auch immer medizinische Untersuchungen. Welche es gibt und wann sie sinnvoll sind, kannst du mit deinem Hausarzt besprechen und zusätzlich beim Bundesgesundheitsministerium nachlesen: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/krebsfrueherkennung.html
Niemand muss das allein schaffen!
Egal ob du selbst erkrankt bist oder einen geliebten Menschen unterstützt: Betroffene fühlen sich oft allein und verloren.
Umso wichtiger ist es, ein starkes Netzwerk zu bilden. Und was verbindet besser und unkomplizierter als gemeinsamer Sport? Schnapp dir also deinen liebsten Sportbuddy und legt gemeinsam los – vielleicht nicht im gleichen Tempo wie gewöhnlich, aber immer mit einem wunderbaren Ziel vor Augen: ein Leben ohne Krebs!
Neben einer medizinischen Versorgung dürfen wir die Psyche nicht vergessen. Wenn du oder jemand, der dir nahesteht von Krebs betroffen ist, können folgende Stellen professionelle psycho-soziale Hilfe leisten:
- Psychoonkologen – auf die Betreuung von Krebspatienten*innen und deren Angehörige spezialisierte Psychologen https://www.krebsinformationsdienst.de/service/adressen/psychoonkologen.php
- Selbsthilfegruppen für Betroffene und Angehörige/Freunde, z.B. über die Deutsche Krebshilfe https://www.krebshilfe.de/helfen/rat-hilfe/selbsthilfe/ auch telefonisch: 0800-80708877 (Mo-Fr 8-17 Uhr)
- In akuten Fällen hilft die Telefonseelsorge 24h am Tag, 365 Tage im Jahr anonym und kostenfrei per Telefon, Mail oder Chat https://www.telefonseelsorge.de/ oder 0800-1110222
Eine Antwort
Ein sehr berührender und inspirierender Artikel! Krebs ist eine erschütternde Diagnose, die das Leben auf den Kopf stellt. Es ist großartig zu sehen, wie Sport in dieser schweren Zeit helfen kann, sowohl körperlich als auch seelisch.
Der Erfahrungsbericht einer Brustkrebs-Überlebenden zeigt eindrücklich, wie der Sport in den verschiedenen Phasen der Erkrankung eine wichtige Rolle spielen kann. Während der aktiven Therapie kann Bewegung helfen, die Fatigue, eine extreme Erschöpfung, zu lindern. Leichtes Ausdauertraining oder Spaziergänge können hier bereits eine positive Wirkung haben. Krafttraining und Jumping Fitness sind wertvolle Ansätze, um Osteoporose entgegenzuwirken, die durch die Behandlung auftreten kann. Zudem kann Yoga und Meditation dabei helfen, einen Moment der Ruhe und inneren Friedens zu finden und die psychische Belastung zu bewältigen.
Nach der Therapie ist es wichtig, geduldig mit sich selbst zu sein und den Körper Zeit zur Erholung zu geben. Der Weg zurück zu einem normalen Leben kann lang sein, und es ist wichtig, die eigenen Ziele behutsam anzugehen. Es ist eine Zeit des Neuanfangs, und Veränderungen müssen akzeptiert werden. Durch Sport kann man nach und nach wieder zu körperlicher Fitness und Wohlbefinden gelangen.
Der Artikel betont auch die Bedeutung von Prävention. Sport kann dazu beitragen, das Risiko einer Krebserkrankung zu verringern. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass Krebs eine komplexe Krankheit ist und nicht allein auf einen bestimmten Lebensstil zurückzuführen ist. Dennoch spielen Bewegung, gesunde Ernährung und regelmäßige medizinische Untersuchungen eine wichtige Rolle bei der Vorbeugung von Krebs.
Abschließend wird betont, dass niemand den Kampf gegen den Krebs alleine bewältigen muss. Ein starkes soziales Netzwerk ist von großer Bedeutung. Sport kann hierbei eine verbindende Rolle spielen, sei es durch gemeinsame Aktivitäten oder als Unterstützung für den Betroffenen. Es ist ermutigend zu sehen, wie der Sport Menschen in schwierigen Zeiten zusammenbringen kann.
Der Artikel gibt auch wichtige Informationen über professionelle Unterstützung für die psychische Gesundheit während einer Krebserkrankung. Es ist wichtig, dass Betroffene nicht nur körperlich, sondern auch seelisch Unterstützung erhalten.
Vielen Dank für diesen einfühlsamen und informativen Artikel! Er zeigt, wie der Sport ein wertvolles Werkzeug sein kann, um Krebspatienten auf ihrem Weg zu unterstützen und zu stärken.